wiederholung zu beginn der stunde
Viele meiner Schülerinnen und Schüler kommen vorbereitet in den Unterricht. Sie haben sich vor Stunde nochmals mit den Inhalten der letzten Unterrichtsstunde beschäftigt. Dies ist nach meiner Überzeugung eine wichtige Vorraussetzung für ihren Lernerfolg. Einmal gehörte Inhalte, einmal erprobte Techniken, einmal nachvollzogene Fähigkeiten sind noch nicht verinnerlicht. Eines der entscheidenden Momente beim Lernen ist die Wiederholung.
Ich habe die Wiederholung zum Beginn der Stunde institutionalisiert. Jede Stunde beginnt damit, dass ein Schüler oder eine Schülerin kurz (3 bis 5 Minuten) den Stoff der letzten Stunde vor der Klasse zusammenfasst. Da die Auswahl der Person zufällig geschieht, sind viele Schülerinnen und Schüler auf diese Situation vorbereitet.
Die Wiederholung zu Beginn der Stunde kann für Schülerinnen und Schüler sehr belastend sein, sogar Angst vor dem Unterricht erzeugen. Sie muss daher mit sehr großem Augenmaß, sehr transparent und mit viel pädagogischem Einfühlungsvermögen durchgeführt werden. Sie ist sicher keine Methode, die Berufsanfänger ohne Begleitung einsetzen sollten.
Wenn ich in einer fünften Klasse unterrichte startet jede Stunde damit, dass die Kinder mit ihren Nachbarn ein bis zwei Minuten besprechen, was wir in der letzten Stunde gemacht haben. Das Buch oder die eigenen Mitschriften aus der letzten Stunde dürfen dabei verwendet werden. Danach sammele ich einige Beiträge der Klasse. Ein Kind das drangenommen wird, darf einen Satz zur letzten Stunde sagen. Bei den ersten drei bis vier Beiträgen, nehme ich gezielt auch Kinder, die sich nicht melden. Danach komme nochmals ca. drei bis vier Meldungen dazu.
Dieses Vorgehen wird über einige Wochen eingeübt.
In einer zweiten Phase bekommen die Kinder immer noch ein bis zwei Minuten Zeit, um sich mit den Nachbarn auszutauschen, was aus der letzten Stunde zu berichten ist. Diesmal kann ein Kind sich freiwillig melden, um möglich viel aus der letzten Stunde zu berichten. Dabei kann das Kind entscheiden, ob es an seinem Platz stehen will, oder vor die Tafel kommen will. Alle anderen Kinder haben den Auftrag sehr konzentriert zuzuhören, um anschließend gegebenenfalls ergänzen zu können.
Nach der Wiederholung frage ich ein (!) Kind aus der Klasse, ob es etwas zu der Wiederholung ergänzen möchte.
Nach der Ergänzung hebe ich alle Punkte vor, die das Kind bei seiner Wiederholung gut gemacht hat (siehe dazu auch die möglichen Bewertungsaspekte weiter unten). Abschließend erhält das Kind Applaus für seine Wiederholung von mir und der Klasse.
Dieses Vorgehen wird wieder über einige Wochen eingeübt.
In einer dritten Phase sage ich jeweils am Ende einer Stunde, dass in der nächsten Stunde ein Kind aus der Klasse zufällig ausgewählt wird, dass den Inhalt der Stunde wiederholen soll. Auf diese Wiederholung sollen sich alle Kinder zuhause vorbereiten. Dazu sollen sie ihre Mitschriften am Tag vor der nächsten Stunde nochmals durchlesen, am besten mit einem Bleistift, um Unklarheiten zu markieren oder Fragen aufzuschreiben. Auch die behandelten Seiten aus dem Buch sollen nochmals gelesen werden. Dies alles soll maximal zehn Minuten dauern. Gerne können sie auch Eltern, Geschwistern oder Freunden erzählen, woran sie sich erinnern.
Im Unterricht erhalten die Kinder wieder ein bis zwei Minuten zu Beginn der Stunde, um sich über die Inhalte der Stunde auszutauschen. Danach wähle ich zufällig (Würfel, Zufallsgenerator), welches Kind die letzte Stunde zusammenfassen soll. Das Kind kann entscheiden, ob es vor der Klasse oder am Platz stehen will.
Anschließend wähle ich zufällig ein (!) weiteres Kind, dass kurz ergänzen oder korrigieren kann.
Nach der Ergänzung hebe ich alle Punkte vor, die das Kind bei seiner Wiederholung gut gemacht hat (siehe dazu auch die möglichen Bewertungsaspekte weiter unten). Abschließend erhält das Kind Applaus für seine Wiederholung von mir und der Klasse.
Dieses Vorgehen wird wieder über einige Wochen eingeübt.
Vor der vierten Phase benenne und erläutere ich der Klasse meine Bewertungskriterien für die Wiederholung, siehe dazu unten die Bewertungskriterien.)
In der vierten Phase ist das Vorgehen wie in der dritten Phase, allerdings frage ich das Kind vor (!) seiner Wiederholung, ob es für seine Wiederholung eine Note haben möchte. Zudem muss das Kind nun vor der Tafel stehen, während es wiederholt.
Ich benenne nach der Wiederholung - und vor dem Applaus - was gut gemacht wurde. Nur wenn die Note "sehr gut" ist, sage ich die Note im Plenum. Bei allen anderen Noten oder wenn das Kind keine Note wollte, führe ich nach der Stunde ein kurzes Gespräch mit dem Kind, das wiederholt hat.
In diesem Gespräch frage ich das Kind zunächst, was es gut gemacht hat. Wenn dem Kind nichts einfallen will, erinnere ich daran, dass ich ja bereits einige positive Punkte genannt habe, die es einfach wiederholen könnte. Anschließend ergänze ich positive Punkte oder unterstreiche gesagtes nochmal, bevor ich Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten gebe. Falls das Kind eine Note wollte, erläutere ich diese nun.
Dieses Vorgehen wird wieder über einige Wochen eingeübt.
In der letzten Phase wähle ich zufällig ein Kind aus, das wiederholen muss und dafür eine Note bekommt. Die ein bis zwei Minuten zur Besprechung mit den Mitschülern bleibt. Alle Aufzeichnungen und Materialien dürfen weiterhin verwendet werden. Nach der Wiederholung schreibe ich die Note auf (und ändere sie danach nicht mehr - das ist wichtig), bevor ein zufällig gewähltes Kind ergänzt. Ich benenne danach positive Punkte der Wiederholung und das Kind bekommt seinen verdienten Applaus.
Die Mitteilung der Note geschieht wie in Phase vier beschrieben.
Dies ist nun der Start jeder Stunde.
Positive Aspekte der Wiederholung zu Stundenbeginn
- Der Spannungsbogen zu Beginn der Stunde ist sehr hoch. Alle Schüler:innen sind sehr konzentriert. Es gibt kein "Hereinplätschern" aus der Pause.
- Alle wiederholen in den ersten beiden Minuten der Stunde den Stoff der letzten Stunde. Sie sprechen sehr konzentriert über die Inhalte.
- Nach der Wiederholung sind wir wieder mitten im Stoff der letzten Stunde.
- Die Schüler:innen üben regelmäßig sich fachlisch im Plenum zu äußern. Dies wertet die mündliche Ausdrucksfähigkeit auf.
- Die Schüler:innen arbeiten regelmäßig zuhause die Inhalte der Stunde nach. Dies erhöht den Lerneffekt deutlich.
Gefahren dieser Methode - und der mögliche Umgang damit
- Die Prüfungssituation kann dazu führen, dass Schüler oder Schülerinnen mit Angst in den Unterricht kommen.
Dies darf nicht geschehen! Wer Angst hat, kann nicht lernen.
Hier ist abzuklären, ob die Angst bereits Form einer weiter gefassten Prüfungsangst ist (das gehört in die Hand eines Arztes oder Therapeuten), oder es spezifisch um die Situation der Wiederholung geht. Sollte es "nur" Angst vor der Wiederholung kann die schriftliche Wiederholung (siehe unten) helfen. - ...
Worauf unbedingt geachtet werden muss: Jedes Kind muss aus der Wiederholung gestärkt hervorgehen! Wenn dies nicht sichergestellt werden kann, darf die Wiederholung nicht stattfinden.